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4 Ein-/Ausgabe-Relation: Kompatibilität mit den Benutzererwartungen In diesem Kapitel soll die Beziehung zwischen den Benutzereingaben und den Reaktionen des Gerätes näher beleuchtet werden. Bei der Relation von einzelnen Eingaben und den darauf erfolgenden Reaktionen eines Gerätes spielen die Erwartungen des Benutzers eine zentrale Rolle. Diesem Phänomen, daß der Benutzer auf bestimmte Eingaben hin bestimmte Reaktionen des Gerätes erwartet, wurde und wird in der Ergonomie viel Aufmerksamkeit geschenkt. Es wird dort unter den beiden Begriffen Bedienungsstereotypen (Lanc, 1975) oder Kompatibilität (Hoyos, 1974) abgehandelt. Das gesamte Buch von D.A. Norman handelt im Grunde von diesem Kompatibilitätsproblem und wird dort als "mapping" bezeichnet (Norman, 1989). Der Begriff der Kompatibilität mit den Benutzererwartungen wird von Hoyos (1974) folgendermaßen erklärt:
Kompatibilität meint [ ... ] eine Anordnung, in der Anzeige und Steuerung in günstiger Weise aufeinander abgestimmt sind. Die Kompatibilität führt man auf allgemein vorherrschende Erwartungen zurück, die als ęsoziale Stereotypien• bezeichnet werden (Fitts, 1951). Niemand wird erwarten, man müsse das Steuerrad eines Autos nach links drehen, um nach rechts abzubiegen. Wer einen Knopf nach rechts dreht, wird erwarten, daß ein zugeordneter Zeiger auch nach rechts geht. Anzeige und Bedienelement sind in vielen Fällen aus der Natur der Sache heraus, oder wie man auch sagt, aufgrund einer raumzeitlichen Isomorphie in bestimmter Weise miteinander verknüpft. Hier handelt es sich um Auge-Hand-Koordinationen, die von Geburt an geübt und praktiziert werden. Die Schwierigkeit, solchen Stereotypien entgegenzuhandeln, demonstriert das Spiegelzeichnen. Andere Stereotypien beruhen mehr auf Konventionen, die sich im alltäglichen Umgang mit elektrischen Schaltern, Türklinken, Wasserhähnen, usw. herausgebildet haben. Zu Stereotypen dieser Art zählt wohl die Erwartung, eine Drehung nach rechts gehe mit einer Zunahme einher.–
Unter Anzeigen bzw. Reaktionen des Gerätes versteht man dabei sowohl natürliche, durch den Benutzer direkt wahrnehmbare Reaktionen des Gerätes, als auch die künstliche Anzeige dieser Reaktionen über ein Anzeigenfeld. So sind das Aufleuchten der Glühbirne nach dem Einschalten oder die Überwindung des Druckwiderstandes beim Drücken einer Taste natürliche Reaktionen auf eine Eingabe hin. Der Begriff der Kompatibilität kann sich auf mehrere Aspekte der Ein-/Ausgabe-Relation beziehen. Dies sind zeitliche Beziehungen, räumliche Beziehungen und Beziehungen in der Bewegung. Diese drei Arten der Kompatibilität sind Thema der nächsten Abschnitte. |
5 Gestaltung der Mensch-Maschine-Interaktion Im zweiten, dritten und vierten Kapitel ging es um das Design der Systemoberfläche, d.h. um die Gestaltung der Ein- und Ausgabe-Elemente. Dies kann als die statische Komponente der Benutzerfreundlichkeit bezeichnet werden. Thema dieses Kapitels soll die dynamische Komponente der Benutzerfreundlichkeit sein, also die Frage danach, wie die Mensch-Maschine-Interaktion zu gestalten ist, und wie der Benutzer durch das System geführt werden soll, damit die Interaktion optimal verläuft. Anders ausgedrückt: Ging es zuvor um das "Hardware"-Design, so geht es nun um die benutzerfreundliche Gestaltung der "Software". Auf zwei Aspekte der Mensch-Maschine-Interaktion soll in diesem 5. Kapitel eingegangen werden: Komplexität und Dialogform. Beide Faktoren sind nicht unabhängig voneinander zu sehen, bezeichnen aber doch unterschiedliche Aspekte der Mensch-Maschine-Interaktion. Unter dem Begriff der Komplexität werden Themen behandelt, die sich aus der Art der Implementation einer bestimmten Funktion ergeben. Hierbei sind formale Modelle der Mensch-Maschine-Interaktion sinnvoll, aus denen sich im Idealfall bereits im Designstadium praktisch umsetzbare Empfehlungen ableiten lassen. Mit Dialogform ist die Sprache gemeint, in der die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine stattfindet; es ist die Struktur der Interaktion, die sich aus den Eingaben des Benutzers und den Ausgaben des Gerätes ergibt. Beide Fragen sind natürlich nicht zu beantworten, ohne sich Gedanken über die konkrete Aufgabenstellung und Eigenschaften des Benutzers zu machen. In Kapitel 5.1 wird der Aspekt der Komplexität behandelt, wobei auf verschiedene Modelle der Mensch-Maschine-Interaktion eingegangen wird, da diese grundlegend für Aussagen über die Komplexität eines Systems sind und evtl. wertvolle Designhinweise liefern können. In Kapitel 5.2 werden verschiedene Dialogformen und ihre Anwendungsbereiche vorgestellt.
Die Komplexität eines technischen Gerätes hat immer mehrere Ursachen (Weir, 1991). So kann der Gegenstandsbereich selber viele voneinander abhängige Variablen enthalten, oder er kann eine große Anzahl verschiedener Zustände aufweisen. Desweiteren kann die Aufgabe, die der Benutzer zu bewältigen hat, mehr oder weniger komplex sein. Eine unnötige und vermeidbare Form der Komplexität kann sich aus der Art der Implementation der Funktion ergeben. Um diese dritte Art der Komplexität, auf die der Designer Einfluß nehmen kann, geht es in diesem Abschnitt.
Jedes Gerät dient einem bestimmten Zweck - eine Uhr soll die Zeit anzeigen, eine Waschmaschine Wäsche waschen, ein Auto den Fahrer schnell und bequem zum Ziel transportieren, usw. Wenn die Anforderungen an ein technisches Gerät definiert sind, bleiben dem Designer (im Prinzip unendlich) viele Möglichkeiten, die Funktion intern zu implementieren. Die meisten dieser Möglichkeiten sind offensichtlich schlecht und von vorneherein zu verwerfen. Es bleiben nur einige wenige akzeptable Lösungen übrig. Unter diesen wird es in den allermeisten Fällen aber auch nicht die einzige und beste Lösung geben. Thimbleby (1992) zeigt an einem Beispiel auf, was es für einen unerfahrenen Benutzer bedeuten kann, wenn der Designer sich - aus welchen Gründen auch immer - für eine schlechte Variante entscheidet:
The secret of the microwave clock
In diesem von Thimbleby beschriebenen Fall wäre es kein Problem gewesen, die Uhr der Mikrowelle so zu konstruieren, daß sie nur zulässige Einstellungen akzeptiert und somit von vornherein gar keine falschen Eingaben zuläßt. Die Mikrowelle war nur aufgrund des schlechten Designs so schwierig zu bedienen und nicht etwa deshalb, weil der Gegenstandsbereich an sich so komplex ist.
Woher soll der Designer wissen, was "gutes" Design ist? Für welche der vielen, ihm akzeptabel erscheinenden Designvarianten soll er sich entscheiden? In den meisten Fällen wird er dabei rein intuitiv vorgehen. Er wird seine eigenen Erfahrungen heranziehen und daraus Vorstellung über den potentiellen Benutzer ableiten - er bildet sich ein Modell über den Benutzer. Oft ist dieses intuitive Modell aber falsch und unzutreffend. Günstig wäre es, hätte der Designer objektive Entscheidungshilfen an der Hand, die sich aus einem formalen Modell der Mensch-Maschine-Interaktion ableiten ließen. Im folgenden Abschnitt sollen deshalb ganz knapp einige Modelle der Mensch-Maschine-Interaktion vorgestellt werden und im Hinblick auf ihre Brauchbarkeit für den Designprozeß und die Evaluation bestehender Geräte betrachtet werden.
Streitz (1985) betont zusätzlich die Existenz von Modellen höherer Ordnung, wie z.B. das "Modell, das der Psychologe oder Designer über das Modell des Benutzers erhebt, das dieser über die Realisierung des Funktionsprinzips t durch das System S aufbaut." (Streitz, 1985, S. 288).
Setzt man in die obige Modelldefinition "X modelliert Y" alle möglichen Kombinationen von Agenten für X und Y ein, dann erhält man eine Modellmatrix, in die man bestehende Modelle zur Mensch-Maschine-Interaktion einordnen kann. Einige Zellen dieser Matrix sind dabei von keinem oder nur geringem Interesse, andere Zellen sind für die hier vorliegende Fragestellung eher relevant. So dürfte das Modell des Benutzers über den Psychologen beim Design benutzerfreundlicher Geräte nicht interessieren, wohl aber das Modell des Benutzers über das Gerät. In der folgenden Tabelle sind die bekanntesten formalen Modelle der Mensch-Maschine-Interaktion aufgelistet, ohne daß diese hier näher besprochen werden sollen. Auch die Theorie endlicher Automaten, so wie wir sie verwenden, läßt sich zur Vorhersage der Performanz eines Mensch-Maschine-Systems heranziehen4. In den nächsten zwei Abschnitten sollen zwei ganz unterschiedliche Modelle der Mensch-Maschine-Interaktion kurz vorgestellt werden: das Keystroke-Level-Modell von Card, Moran und Newell (1983) und das Modell der sieben Stadien der Mensch-Maschine-Interaktion von Norman (1989).
Das Keystroke-Level-Model (KLM) von Card, Moran und Newell (1983) ist eine simplifizierte Variante des GOMS-Modells (Card, Moran & Newell, 1983). Es beschreibt die Systemperformanz als Zeit, die ein Experte für die Bewältigung einer Aufgabe benötigt, wenn er bestimmte Methoden verwendet. Das Modell beinhaltet eine Reihe von Operatoren (z.B. Tastendrücke, Zeigeoperationen, mentale Operationen), die zu einer sogenannten Methode organisiert sind. Eine Methode besteht also aus einer Sequenz von Operationen, um eine Aufgabe zu erledigen. Bei gegebenem Programm ist somit eine Abschätzung der benötigten Zeit für eine Aufgabe möglich. Der Designer kann diese Zeit mit einem Kriterium (benchmark) vergleichen, oder er verwendet die geschätzten Zeiten, um zwischen zwei alternativen Systemen zu wählen. Das KLM ist ein rein quantitatives Modell, das nur sehr wenig psychologisches Wissen über den Benutzer voraussetzt und vom Designer rein mechanisch angewandt werden kann. Es kann nur evaluativen, nicht aber generativen Charakter haben.
Die sieben Stadien des Handelns von Norman (1989) gehen von der Struktur menschlichen Handelns aus. Jede Handlung beginnt mit der Formulierung eines Ziels. Es erfolgt die Ausführung der Handlung, anschließend eine Evaluation des Ergebnisses. Jeder Handlungszyklus setzt sich aus diesen zwei Komponenten Ausführung und Evaluation zusammen. Jede dieser beiden Komponenten kann erneut in drei Stadien unterteilt werden, so daß sich sieben Stadien des Handlens ergeben:
Den drei Stadien der Ausführung (Intention zu handeln, Handlungssequenz, Ausführung der Handlungssequenz) stehen auf der Evaluationsseite die drei Stadien Wahrnehmung, Interpretation der Wahrnehmung und Auswertung gegenüber.
Diese sieben Stadien menschlichen Handelns lassen sich auf die Mensch-Maschine-Interaktion übertragen. Die Probleme, die beim Umgang mit technischen Geräten auftauchen, lassen sich den beiden Komponenten Ausführung und Evaluation zuordnen. Norman nennt diese Probleme "die Kluft der Ausführung" und "die Kluft der Auswertung". Die Kluft der Auswertung bezeichnet den Unterschied zwischen den Intentionen des Benutzers und den am Gerät zulässigen Handlungen. Mit der Kluft der Auswertung ist die Anstrengung gemeint, die der Benutzer auf sich nehmen muß, um den physikalischen Zustand des Gerätes zu interpretieren und um zu bestimmen, inwieweit seine Erwartungen und Intentionen erfüllt wurden.
Die sieben Stadien des Handelns zieht Norman als Design-Hilfen heran, indem er sieben Fragen formuliert, die den einzelnen Stadien zugeordnet werden können, die den Designprozeß leiten sollen und das Ziel haben, die Kluft der Ausführung und die Kluft der Auswertung zu überbrücken:
Im Gegensatz zum Keystroke-Level-Modell ist das Modell von Norman ein qualitatives Modell über den Benutzer. Aus psychologischem Wissen über menschliches Handeln werden Aussagen über Handeln im Bereich der Mensch-Maschine-Interaktion abgeleitet und die sich daraus ergebenden Folgerungen für ein benutzerfreundliches Design aufgeführt. Dies sind - anders als im KLM - allgemein gehaltene Empfehlungen, die psychologisches Wissen voraussetzen. Des Modell kann nicht rein mechanisch angewandt werden, es liefert keine Detailaussagen und keinen Wert, der als Ausdruck für gut oder schlecht gelungenes Design herangezogen werden könnte. Trotzdem ist es ein für den Designprozeß sehr nützliches Modell. |
6 Schlußbemerkungen Thema dieses Beitrages war das Design elektronischer Geräte f€r den alltäglichen Gebrauch. Es wurden diejenigen Aspekte des Geräte-Designs besprochen, die einen Einfluß auf die Benutzerfreundlichkeit haben, d.h. auf die Erlernbarkeit und die Bedienbarkeit eines Gerätes. Abschließen möchte ich diesen Bericht mit den "Sieben Prinzipien zur Verwandlung von schwierigen Aufgaben in einfache" von D.A. Norman (1989, S. 220 ff). Diese Prinzipien geben auf eine informelle Art und Weise viele wertvolle Tips, ohne den Handlungsspielraum des Designers einzuengen.
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